In den vergangenen beiden Texten habe ich darüber geschrieben, was uns im Angesicht der Klimakatastrophe hemmt, aktiv zu werden – und wie wir diese Hemmnisse überwinden können. Nun geht es um den dritten, den entscheidenden Schritt. Um die konkrete Umsetzung von Verhaltensänderungen im Alltag.
Wie schwer die fallen, weiß jeder Mensch. Bald ist Silvester, da denken wir doch alle über gute Vorsätze fürs neue Jahr nach. Vielleicht auch zum Klimaschutz. Mal ehrlich: Länger als ein paar Wochen halten solche Vorsätze selten, oder? Zumindest bei mir ist das so. Vermutlich liegt das daran, dass wir mit zu viel Optimismus und zu hehren Vorstellungen an die Sache herangehen. Und deshalb schlappmachen.
Wie Verhaltensänderung erfolgreicher funktioniert, erklärt BJ Fogg, Verhaltensforscher an der Stanford University, sehr einfach und alltagstauglich in seinem Buch „Tiny Habits“, auf Deutsch: Klitzekleine Gewohnheiten. Im Kern besagt seine Theorie, dass ein Verhalten immer dann entsteht, wenn drei Dinge im gleichen Moment zusammenkommen: die Motivation, die Möglichkeit und ein Anlass. Wenn nur eines dieser drei Dinge fehlt, passiert nichts. Hinzu kommt: Der Anlass bewirkt auch nur dann etwas, wenn die Motivation hoch genug ist und die Möglichkeit groß genug. Wenn man also wenig Lust auf das Verhalten hat oder es schwer umzusetzen ist – dann lässt man es halt.
Wie die Methode des Verhaltensforschers Fogg konkret funktioniert, will ich an einem Beispiel erklären. Er benutzt es selbst in seinem Buch. Es klingt sehr einfach und alltäglich, aber gerade deshalb ist es so gut. Das Beispiel handelt von: sauberen Zähnen.
Schritt 1: Ziel klären. Zweimal im Jahr geht Herr A. zum Zahnarzt, und jedes Mal erlebt er, was wir alle dort erleben: Der Zahnarzt sagt ihm, so richtig sauber seien seine Zähne ja nicht. Besonders die Zahnzwischenräume! Da müsse er mehr tun. Sonst drohten Karies, Bohren, Füllungen. Das volle Programm. Herr A. hat aber keine Lust auf das volle Programm. Also setzt er sich ein Ziel: Mein Zahn soll schöner werden.
Schritt 2: Mögliche Verhaltensänderungen prüfen. Herr A. überlegt, was er tun könnte, um sein Ziel zu erreichen. Er könnte weniger Schokolade essen. Die Zähne häufiger putzen – oder länger und gründlicher. Bessere Zahncreme verwenden. Häufiger die Zahnbürste wechseln. Oder eine elektrische kaufen. Und am besten gleich noch jeden Tag Zahnseide benutzen.
Schritt 3: Konkrete Verhaltensänderungen identifizieren. Herr A. weiß nun, welche Verhaltensänderungen möglich wären. Als nächstes überlegt er: Welche wäre für mich die richtige? Welche passt so gut zu mir, dass es diesmal nicht beim guten Vorsatz bleibt? Womit will ich anfangen? Um die Antwort zu finden, geht Herr A. im Kopf für jede seiner Möglichkeiten die Frage durch: Warum habe ich dieses Verhalten bisher noch nicht geändert? Woran ist’s gescheitert? Laut Fogg gibt es fünf klassische Gründe: Zeit, Geld, körperliche Anstrengung, geistige Anstrengung, Routine.
Das kommt Herrn A. bekannt vor. Zum gründlichen Zähneputzen fehlt ihm die Zeit. Eine wirklich gute elektrische Zahnbürste ist ihm zu teuer. Das Gefriemel mit der Zahnseide ist ihm zu anstrengend. Die Zahnbürste regelmäßig zu wechseln, vergisst er schlicht. Und Schokolade isst er viel zu gern, um darauf zu verzichten. Also: Was tun?
Schritt 4: Klitzeklein anfangen. Herr A. erinnert sich daran, dass sein Zahnarzt besonders die schlecht gereinigten Zahnzwischenräume bemäkelt hat. Und er entschließt sich, ab jetzt Zahnseide zu benutzen. Aber, und das ist entscheidend: Er will nicht gleich alles – sondern geht einen klitzekleinen ersten Schritt. Er reinigt jeden Tag mindestens einen Zahn mit Zahnseide. Nur einen einzigen Zahn. Das geht schnell, das schafft er. Mehr erst mal nicht. Aber jeden Tag. Wirklich jeden.
Schritt 5: Einen guten Ankermoment finden. So schnell es auch geht, den einen Zahn mit Zahnseide zu reinigen – im Alltag, das weiß Herr A., vergisst er es leicht. Da hilft, so sagt der Verhaltensforscher Fogg: einen Ankermoment zu finden. Also eine Tätigkeit, die ich jeden Tag zuverlässig mache, die zu meiner Routine gehört – und an die ich ab sofort das neue Verhalten direkt andocke. Herr A. nimmt sich also vor: Immer dann, wenn ich meine Zähne geputzt habe, reinige ich einen Zahn mit Zahnseide. Um diesen Satz nicht zu vergessen, schreibt er ihn sich auf einen Post-it-Zettel und klebt ihn an den Badezimmerspiegel.
Schritt 6: Erfolg feiern. Einen Zahn mit Zahnseide zu reinigen, das klingt erst mal nicht nach einer großen Sache. Aber es ist eine. Es ist ein Anfang, auf dem Herr A. aufbauen kann. Ein Erfolgserlebnis. Er weiß jetzt: Ich kann Veränderung schaffen. Das gibt Kraft und Mut für die nächsten Schritte. Deshalb, so betont Fogg, ist es ganz wichtig, diesen Erfolg zu feiern. Jedes Mal. Wer will, kann kurz die Faust ballen. Still lächeln. Oder halblaut „Yes!“ rufen (wenn gerade sonst keiner da ist – und idealerweise die Hand mit Zahnseide nicht mehr im Mund). Klingt vielleicht albern, stärkt aber sehr. Und jeder Mensch weiß am besten, was für ihn funktioniert – und ihm nach diesem Erfolg ein gutes Gefühl gibt.
Schritt 7: Weitere Verhaltensänderungen machen. Das Beste am klitzekleinen ersten Schritt ist: Er zeigt Herrn A., dass er etwas schaffen kann. Und dass er nun auch nächste Veränderungsschritte meistern kann. Von Tag zu Tag merkt Herr A., wie er mit der Zahnseide besser klarkommt. Wie er den einen Zahn schnell und trotzdem wirksam säubern kann. Bald macht er den zweiten, dann den dritten, den vierten – und ratzfatz alle. Ist plötzlich gar nicht mehr so nervig. Sondern Routine. Macht ihm sogar fast Spaß. Herr A. kommt also mühelos ans Ziel. Und er weiß: Auch wenn er doch mal gar keine Lust hat oder völlig gestresst ist – einen Zahn säubert er immer. Jeden Tag. Denn das ist ja sein so wichtiger klitzekleiner erster Schritt.
Die Methode des Verhaltensforschers Fogg funktioniert natürlich nicht nur, wenn wir unser Verhalten bei der Zahnhygiene verändern wollen. Sondern bei allen anderen Verhaltensänderungen, die wir uns vornehmen. Und natürlich auch dann, wenn wir unser Leben klimafreundlicher gestalten wollen als bisher. Ob wir uns vornehmen, häufiger vom Auto aufs Rad umzusteigen oder unseren Fleischkonsum zu reduzieren, konsequent regional einzukaufen oder weniger neue Klamotten anzuschaffen – mit dem Weg der klitzekleinen Schritte wird’s was.
Natürlich können wir nicht alles auf einmal verändern, so ticken wir Menschen nicht. Sinnvoll wäre deshalb, erst mal zu recherchieren, welche Verhaltensänderungen für den Klimaschutz wirklich relevant sind – und welche nicht (ein spannendes Interview dazu findet Ihr hier). Schließlich sollen die klitzekleinen Schritte ja am Ende zu einem großen Ziel führen.
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Mein nächster Text über Veränderung kommt in zwei Wochen.
Bis dahin: alles Gute – und, wenn’s so weit ist: frohe Weihnachten!
Andreas
Ich finde diese Texte sind sehr gut. :)