Hier geht es ja öfter mal um die Klimakrise. Das hat seinen Grund: Sie ist das wichtigste Thema unserer Zeit. Die größte Gefahr – und gleichzeitig die größte Chance, unsere Welt zum Besseren zu verändern. Deshalb werde ich sie in den nächsten drei Texten besonders intensiv beleuchten.
Heute geht es um die Frage, was unser Handeln in der Klimakrise hemmt.
Im nächsten Text geht es darum, wie wir die Hemmnisse überwinden und aktiv werden können.
Und dann schließlich darum, wie so eine Veränderung konkret und alltagstauglich funktionieren kann.
Jetzt aber erst mal zu Frage eins: Wie kann es sein, dass wir so viel über die existenzbedrohende Erderhitzung wissen, aber so wenig dagegen tun? Warum werden seit Jahrzehnten eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert, die unser Überleben bedrohen?
Verstehen hilft verändern
Viele der Gedanken, die jetzt kommen, stammen aus einem großartigen neuen Buch: „Climate Action – Psychologie der Klimakrise“, herausgegeben von den Psychologists for Future. Das Buch hilft zu verstehen, warum wir im Angesicht der Katastrophe weiterleben wie bisher. Wer das verstanden hat, ist auf einem guten Weg, etwas zu verändern. Jeder Gedanke könnte ein Anstoß zu sein zu überlegen: Denke ich auch so? Und: Wie ginge es besser?
Also, was hemmt uns?
Vermutlich gehen wir davon aus, dass das Leben so weitergeht, wie wir es kennen. Was soll schon passieren, das wir nicht beherrschen können? Über existenzielle Gefahren haben wir uns nie so genau informiert.
Oder: Wir haben von den Gefahren der Erderhitzung zwar schon mal gehört, können uns aber nicht vorstellen, dass sie uns selbst existenziell betreffen können. Reden uns ein, es werde schon alles gut werden. Vielleicht ahnen wir auch, dass die Gefahr uns treffen könnte, gehen aber davon aus, dass wir sie rechtzeitig sehen und uns hindurchretten können.
Die Lösung wird verschoben
Womöglich kennen wir die Gefahr sogar ziemlich genau, vergessen sie aber im Alltag allzu schnell wieder – weil Beruf, Familie und Hobbys unsere Aufmerksamkeit aufsaugen. Wir alle und auch die Politiker haben immer viele Probleme gleichzeitig. Und widmen uns gern zuerst denjenigen, die am leichtesten aus der Welt zu schaffen sind. Die Lösung der komplexen, langwierigen, maximal fordernden Klimakrise wird dabei immer weiter verschoben.
Wir sehen sogar, wie andere Menschen in der Gefahr umkommen, etwa kürzlich bei der Flut im Ahrtal – wenden uns aber dennoch bald wieder ab. Weil wir die Betroffenen nicht persönlich kennen. Wir sehen die Klimakrise zwar, aber wir fühlen sie noch nicht. Sie ist in unserem Kopf angekommen, aber noch nicht in unserem Herzen.
Vielleicht sind wir abgestumpft: Schon wieder Klimawandel in den Nachrichten? Och, nee! Da machen wir uns gern klein und fragen: Was kann ich allein schon bewirken, wenn so viele andere weiter in den Urlaub fliegen – und wenn die Chinesen, die Amerikaner, die Inder so riesige Mengen CO2 in die Luft pusten? Lobbyisten und manche Politiker behaupten, mehr Klimaschutz in Deutschland gefährde unseren Wohlstand und lasse unsere Wirtschaft kollabieren. Sie und wir schieben die Schuld also anderen zu, leugnen unsere eigene Verantwortung – und legen uns scheinbar vernünftige Gründe zurecht, warum wir nichts zu verändern brauchen.
Verzicht – eine Beleidigung?
Mag sein, dass wir die Realität nicht wahrhaben wollen – und wütend sind auf die Überbringer der schlechten Klima-Nachrichten, etwa auf die Fridays-for-Future-Aktivistinnen um Greta Thunberg. Wir haben schließlich jahrzehntelang gelernt, dass grenzenloses Wachstum möglich und sinnvoll ist. Wir haben den Eindruck gewonnen, dass wir uns nehmen können, was wir wollen – und so viel wir wollen. Wir haben uns an ein Leben im Schlaraffenland gewöhnt und betrachten manchmal schon den Gedanken an Verzicht als Beleidigung unserer grenzenlosen Freiheit.
Wir haben Angst, Außenseiter zu werden und als der komische Öko dazustehen, wenn wir verzichten – wo doch die Nachbarin einen fetten SUV fährt, der Kollege mit seinen Fernreisen protzt und die Kinder der Verwandten ständig die neuesten Klamotten tragen. Also reden wir uns ein, dass auch wir weiterleben können wie bisher – und dass allein technologische Innovation das Klimaproblem lösen wird.
Wenn unser Gewissen aufmuckt, beruhigen wir es durch vermeintlich grünen Konsum und Pillepalle-Veränderungen. Kaufen Bio-Möhren, plastikfreies Shampoo und Bambus-Zahnbürsten, trennen den Müll – fliegen dann aber weiter in den Urlaub und verdrängen, dass dies das bei weitem relevantere Problem ist.
Die Politik lässt uns allein
Ist ja auch kein Wunder, dass wir die Klimakrise unterschätzen. Schließlich sehen wir täglich, dass die meisten Politiker und die meisten Medien sie nur als ein x-beliebiges Thema behandeln und nicht so dramatisch finden. Und wir sehen, wie gerade bei der Weltklimakonferenz in Glasgow, dass vielen Mächtigen die Entschlossenheit fehlt. Dann kann die Klimakrise ja auch nicht so dramatisch sein, oder? Doch, kann sie. In Wahrheit ist sie anders als alle anderen Probleme. Sie bedroht das Fundament unseres Lebens, und sie hört auch nicht mehr auf. Wenn sie eskaliert, wird es keinen sicheren Ort mehr auf der Welt geben.
Das klingt überwältigend, oder? Mag sein, dass wir, zumindest unbewusst, Schuldgefühle, Angst und Ohnmacht spüren – weil wir alle ein Teil dieses riesigen Problems sind und eine Lösung so unfassbar schwer erscheint. Diese Gefühle lassen wir ungern an uns heran. Also verdrängen wir das Problem. Zumal wir uns von der Politik mit unserer Verantwortung alleingelassen fühlen – weil sie klimafreundliches Verhalten so wenig belohnt und klimaschädliches so wenig bestraft.
Vielleicht ist es mit der Klimakrise auch ein bisschen so wie mit dem Notfall im Park. Stellen wir uns vor, wir sind da mit vielen anderen Menschen – und plötzlich ruft jemand um Hilfe. Je größer die Gruppe, desto mehr Menschen sind verunsichert und helfen nicht – weil eben auch die Menschen um sie herum nichts tun. Dieses Verhalten heißt Bystander-Effekt und lässt sich in der Klimakrise weltweit beobachten, bei Menschen wie bei Staaten.
Noch ist Besserung möglich
Und klar: Irgendwie sind all unsere Abwehrreaktionen gegenüber dem Klimaproblem ja sogar psychologisch sinnvoll. Wenn wir uns ständig bewusstmachen würden, wie katastrophal unsere Welt in den nächsten 50 Jahren zu kollabieren droht, dann könnten wir unseren Alltag kaum mehr bewältigen. Was da vielleicht bevorsteht, übersteigt, was wir auszuhalten in der Lage sind: Hitzewellen, Überflutungen, Hungersnöte, Massenmigration, Kriege um Wasser, Zusammenbruch der Zivilisation.
Aber noch können wir unsere Zukunft zum Besseren verändern. Ein erster Schritt könnte sein, noch mal kurz zu überlegen, welche der Gedanken oben uns persönlich besonders hemmen – und wie es gelingen könnte, uns in Zukunft von ihnen nicht mehr hemmen zu lassen.
Und dann? Davon handelt mein nächster Text.
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Mein nächster Text über Veränderung kommt in zwei Wochen.
Bis dahin: alles Gute!
Andreas