Ich komme gerade aus einer anderen Welt, liebe Leute. Ich bin eben auf einem Boot über einen See geschippert, habe vom Kirchturm auf unsere Stadt heruntergeschaut, zwischen einem Liebespaar im Kino gesessen, Dämonen durch den Wald tanzen sehen und Mörderinnen beim Zellenblock-Tango durch den Knast. Ich habe dabei eine VR-Brille und Kopfhörer getragen, gut eine Stunde lang, zu jeder Szene fantastische Musicalsongs gehört – und mich wunderbar verloren in dieser künstlichen Realität.
Denn ich habe „Visions“ gesehen, das zweite virtuelle Musical in unserer Stadt Lohne – ein Projekt, das es in solch einer Perfektion kein zweites Mal in Deutschland gibt. Mehr als 100 Leute haben daran mitgewirkt – in Orchester und Tanz, Technik und Choreografie. Alle jung, alle talentiert, alle mit dem Willen, neben Schule, Studium und Beruf gemeinsam etwas Großes zu erschaffen. Das Ergebnis ist: Staunen. Diese Show ist ein einziger Wow-Effekt, von der ersten bis zur letzten Minute.
Man vergisst alles
Wer mit seiner Brille im Drehstuhl sitzt, in der Lohner Kleinkunstbühne Chameleon, der vergisst alles um sich herum. Taucht ein in die virtuelle Welt, kann dank 360-Grad-Technik überallhin schauen und überallhin hören – die Welt hört nirgends auf. Die Menschen darin sind so nah, dass man glaubt, sie anfassen zu können. Die Musik ist so schön, dass man sich wünscht, sie würde niemals enden. In Szenen am Strand weht sogar echter Wind.
Dieses virtuelle Musical ist eine wirklich wunderbare Fluchtmöglichkeit aus der Realität. Und die braucht jeder ja mal – nicht nur, weil ein Novembertag gerade trist und grau ist. Wir alle haben doch unsere persönlichen Sorgen – ob um kranke Eltern, Kinder mit Schulschwächen oder Stress im Job. Und uns alle plagen Ängste um den Zustand der Welt – von Putins Atomdrohungen über Trumps Horrorkabinett und die Klimakrise bis zu unserer bedrohten Demokratie.
Der Blick wird weit
Natürlich zaubern die Realitätsfluchten diese Sorgen nicht weg, und gewiss ist es keine Lösung für all die Probleme, vor ihnen wegzurennen – zumal nach ein, zwei, drei Stunden der Alltag ohnehin wieder zurückkehrt. Aber manchmal hilft so eine Flucht eben doch. Sie entlastet. Lässt einen durchatmen. Malt ein Lächeln aufs Gesicht. Schenkt neue Kraft. Und weitet den Blick. Die Realitätsflucht verändert was. Erinnert daran, dass es eben doch nicht nur Schweres auf der Welt gibt, auch Leichtes; nicht nur Schlechtes, auch Gutes; nicht nur Furcht, auch Freude. Sie zeigt, dass da immer noch mehr ist als das, was wir sehen.
Jede und jeder von uns hat seine eigenen Wege, aus der Realität zu flüchten: Die einen gehen ins Fußballstadion, feiern und trauern mit ihrem Lieblingsverein, trinken Bier und brüllen auch mal Sätze raus, die ihnen bei der Arbeit nicht über die Lippen kämen. Die anderen zocken Computerspiele, treffen sich online mit Fremden in wilden Welten, ballern Zombies über den Haufen und schreien vor Freude, wenn sie den letzten erledigt haben. Wieder andere genießen ein Konzert, hören die Harmonie des Klangs und die Klasse der Geigerinnen und Pianisten und schließen verzückt die Augen.
Können, Liebe, Energie
Mein Fluchtort ist heute das virtuelle Musical gewesen. Es hat mir bewusstgemacht, was entstehen kann, wenn kreative Köpfe sich zusammentun und gemeinsam was entwickeln. Da steckt so viel Können, so viel Liebe, so viel Energie drin. Das begeistert. Und wirft die Frage auf: Wenn so etwas hier, in unserer norddeutschen Kleinstadt Lohne möglich ist, warum dann nicht auch anderswo? Wenn hier begabte junge Menschen gemeinsam einen kulturellen Kracher auf die Beine stellen können, was könnte dann an anderen Orten wachsen – nicht nur in der Kultur, auch im Sport, an Schulen, in Vereinen und Parteien?
Zusammen geht so viel mehr, als wir glauben, davon bin ich überzeugt. Mir jedenfalls hat das virtuelle Musical einen sensationellen Samstagnachmittag beschert. Zu schade, dass er schon vorbei ist.
So, liebe Leute, zwei Bitten habe ich jetzt noch.
Die erste Bitte: Helft mit, dieses wunderbare virtuelle Musical bekannt zu machen! Empfehlt diesen Text in eurem Whatsapp-Status, auf Instagram, Facebook und LinkedIn! Geht ganz einfach – mit diesem Link:
Die zweite Bitte ist eher ein Tipp: Lasst euch die Show nicht entgehen! Tickets gibt’s hier.
Seid ihr neu hier und habt meinen Newsletter noch nicht abonniert? Dann tragt hier eure Mailadresse ein – und ihr bekommt automatisch alle zwei Wochen kostenlos meinen neuesten Text. Immer über die Frage, wie Veränderung eine Chance sein kann:
Bis zum nächsten Mal: alles Gute!
Andreas