In meinem letzten Text ging es darum, was uns in der Klimakrise hemmt. Und warum wir gegen eine so dramatische Bedrohung so wenig tun. Heute gehen wir einen Schritt weiter – und schauen, wie wir die Hemmnisse überwinden und aktiv werden können. Auch diesmal stammen viele Gedanken aus dem sehr lesenswerten neuen Buch „Climate Action – Psychologie der Klimakrise“, herausgegeben von den Psychologists for Future.
Zu tun ist viel. Also dann, los geht’s!
Wir können, auch wenn das banal klingt, mit anderen über das Klimaproblem sprechen. Mit Eltern, Freundinnen, Kolleginnen, Nachbarn. Das erleichtert, stößt was an und hilft zu erkennen, dass andere unsere Sorgen teilen.
Klima-Challenge in der Clique
Es beeinflusst jeden Menschen, was Freunde und Kolleginnen über sein Verhalten denken – und was wir glauben, dass die anderen denken. Wenn wir also das Rad statt des Autos zur Arbeit nehmen und darüber reden, dann kann das was bewegen. Dann wird das vorher abstrakte Thema plötzlich persönlich.
Wenn wir uns beim Klimaschutz Verbündete suchen und uns gegenseitig anspornen, dann hilft das, Verhalten zu verändern. Wie wäre es mit einer privaten Klima-Challenge in Clique oder Nachbarschaft: Einen Monat ernähren sich alle fleischlos – und zur Belohnung gibt’s am Ende ein paar gemeinsame Feierabendbiere? In der Corona-Krise haben wir doch gesehen, wie viel wir gemeinsam schaffen können, wenn alle mit anpacken.
Plötzlich geht es schnell
Überhaupt können wir mehr bewegen, als wir denken. So wie es im Klimasystem Kipppunkte gibt, ab denen die Erderhitzung sich verselbständigt und nicht mehr aufzuhalten ist, so gibt es auch soziale Kipppunkte. Wenn die einmal erreicht sind, geht die Veränderung zu mehr Klimaschutz plötzlich rasend schnell – weil immer mehr Menschen mitmachen. Wir alle können der Gesellschaft helfen, zu diesen Kipppunkten zu gelangen.
Das mag mühsam sein. Aber es lohnt sich. Und wir müssen nicht immer perfekt nachhaltig leben – weil das in unserer Gesellschaft auch gar nicht geht. Stattdessen können wir klein anfangen und uns realistische erste Etappenziele setzen (etwa: die Zahl der gefahrenen Autokilometer einen Monat lang um ein Drittel zu reduzieren). Wenn das klappt, dürfen wir diesen Erfolg ruhig genießen – und als Ansporn nehmen, uns nach und nach ehrgeizigere Ziele setzen. Am besten solche, die auch wirklich relevant für den Klimaschutz sind.
Ganz schön fordernd, das alles? Vielleicht hilft dieser Gedanke: Ja, wir haben Verantwortung – aber wir haben sie nicht allein. Wir können in unserem persönlichen Verhalten das verändern, was sich verändern lässt (etwa: weniger fliegen, weniger Autofahren, weniger Fleisch essen). Aber wichtiger noch als unser privates Verhalten ist, dass die Politik etwas verändert. Dass sie etwa viel schneller aus der Kohlekraft aussteigt und erneuerbare Energien viel schneller ausbaut als geplant. Und dass sie es uns leichter macht, gut zu leben.
Mallorca muss teurer werden
Die Politik muss durch eine spürbare CO2-Steuer klimaschädliches Verhalten erschweren und klimafreundliches Verhalten erleichtern. Von Bremen aus muss ein Flug nach Mallorca, nur als Beispiel, künftig viel, viel, viel teurer sein als eine Bahnfahrt nach Bayern. Wenn der Staat einen Großteil der CO2-Steuer an uns Bürgerinnen und Bürger zurückzahlt, können wir nachher sogar mehr Geld in der Tasche haben als vorher – wenn wir uns entscheiden, klimafreundlich zu leben.
Damit das funktioniert, muss die Politik aber auch klimafreundliche Alternativen schaffen. Zum Beispiel: Bus- und Bahnverbindungen ausbauen, Fahrradwege sanieren, Fahrrädern in Städten mehr Platz geben als Autos. Wenn dadurch dann immer mehr Menschen ihr Verhalten verändern, fühlt sich das plötzlich gut an – und jeder, der es versucht, kommt sich nicht mehr so hilflos und alleingelassen vor, sondern als Teil einer Gruppe, deren Anstrengung auch etwas bewirkt.
Wenn wir aber eine Politik wollen, die den Klimaschutz vorantreibt, sollten wir dauerhaft Druck auf die Politik ausüben – egal, wer gerade regiert. Durch Demonstrationen mit Fridays for Future, E-Mails an Lokalpolitiker und Bundestagsabgeordnete, Leserbriefe in der Zeitung. Und natürlich sollten wir bereit sein, auch schmerzhafte Veränderungen mitzutragen. Also: Nicht gegen jedes Windrad eine Bürgerinitiative starten und ständig über den steigenden Benzinpreis jammern, sondern überlegen, ob dies nicht das geringere Übel ist – verglichen mit einer von Hitzewellen und Fluten zerrütteten Welt.
Unsere Kinder sind in Lebensgefahr
An der Dramatik der Situation gibt es spätestens seit dem jüngsten Bericht des Weltklimarates keinerlei Zweifel mehr. Das Weltwirtschaftsforum schätzt in seinem aktuellen Risiko-Report eine Eskalation der Klimakrise als sehr, sehr viel wahrscheinlicher und auch als folgenreicher ein als einen globalen Krieg mit Massenvernichtungswaffen.
Fühlt sich alles immer noch zu weit weg an? Dann fragen wir uns mal, was eine Eskalation der Klimakrise für uns ganz persönlich bedeuten würde. Was ist uns am allerliebsten auf der Welt? Was wollen wir unbedingt schützen? Vermutlich vor allem: unsere Kinder und Enkel. Ihr Überleben ist durch die Klimakrise in akuter Gefahr. Also, was tun?
Wir können glücklicher sein
Überlegen wir, wie konsequent wir sonst reagieren, wenn die Kleinen in Gefahr sind. Stellen wir uns vor, nahe der Schule unserer Kinder seien mehrere Schüler entführt worden; es gebe eindeutige Hinweise darauf, dass äußerst brutale Kriminelle dahintersteckten. Würden wir nicht alles, aber auch alles tun, um unsere Kinder zu schützen? Würden wir nicht bei der Polizei, beim Schulleiter, beim Bürgermeister und in der Lokalzeitung maximalen Druck machen, für die Sicherheit der Kinder zu sorgen? Und selbst später zur Arbeit fahren, um sie auf dem Schulweg zu begleiten?
Ein letzter Gedanke, damit dieser Text nicht zu düster endet: Wir sollten nicht nur an die Gefahren denken, die die Erderhitzung mit sich bringt. Sondern auch an die Chancen, die ihre Bekämpfung bietet. Spricht nicht vieles dafür, dass wir in einer Welt mit weniger Konsum, weniger Urlaubsfliegerei, weniger Staus in der Stadt, mehr Ruhe und besserer Luft sogar glücklicher sind als jetzt? Und wäre es nicht cool, für solch eine Zukunft eine Menge Veränderung zu wagen?
Wie diese Veränderung alltagstauglich funktionieren kann, erkläre ich in meinem nächsten Text an einem konkreten Beispiel.
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Mein nächster Text über Veränderung kommt in zwei Wochen.
Bis dahin: alles Gute!
Andreas