Am Sonntagabend habe ich mich über mich selbst erschrocken. Weil ich so gelassen war nach den ersten Hochrechnungen, nach den mehr als 20 Prozent für die AfD. Hätte schlimmer kommen können, dachte ich. Geht ja noch. Hatten die Umfragen ja so vorhergesagt. Ja, so atmete ich das Bundestagswahlergebnis routiniert weg. Aber konnte das sein. Ernsthaft?
Nein, konnte es nicht. Das Entsetzen kam am Montag. Dann sah ich die Deutschland-Karte, mit dem tiefblau gefärbten Osten und der AfD als stärkster Kraft – Wahnsinn. Ich schaute auf die Ergebnisse meines Wahllokals: 19,75 Prozent hatte die AfD selbst dort, in unserer sehr schönen, sehr wohlhabenden, sehr lebenswerten norddeutschen Stadt Lohne – skandalös, beschämend, furchtbar. Und ich bekam eine WhatsApp-Nachricht von einem Freund aus einer deutschen Großstadt. Seine Frau hat einen ausländischen Pass, und die beiden haben ein Baby. Er schrieb: „Vielleicht müssen wir angesichts der stärker werdenden AfD daran denken, Deutschland zu verlassen. Allein schon wegen unseres kleinen Sohnes, der wird größer, und wenn hier die Nazis das Sagen haben, kann es unbequem für uns werden.“
Alles reden sie schlecht
Diese Nachricht traf mich ins Mark. So direkt hatte mir noch nie ein mir nahestehender Mensch gesagt, welchen Horror die AfD für ihn bedeutet. Und je länger ich über seine Nachricht nachdachte, desto mehr spürte ich Wut in mir aufsteigen. Wut auf diese abscheuliche, menschenfeindliche Partei. Und Wut auf jeden Menschen, der sie gewählt hat.
Ich möchte mit diesem Text dafür werben, diese Emotion zuzulassen. Sonst ist es die AfD, die die Wut der Menschen schürt. Jetzt drehen wir den Spieß mal um. Jetzt schüren wir mal die Wut.
Also, beginnen wir mit der Partei. Alles redet sie schlecht. Für nichts hat sie eine Lösung. „Wir reißen alle Windkraftwerke nieder“, hat Spitzenkandidatin Alice Weidel im Wahlkampf gewettert – wenn dieser Satz inmitten der eskalierenden Klimakrise nicht traurig wäre, dann würde man lachen, so dumm ist er. Nicht nur nach diesem Statement wurde Weidel von Wirtschaftsexperten in der Luft zerpflückt. Auch Unternehmer betonen regelmäßig: Die AfD ist eine Katastrophe für unser Land. Wenn sie Macht bekommt, laufen uns die besten ausländischen Fachkräfte weg. Nichts geht dann mehr. Sie hat kein einziges Rezept, das funktioniert.
Sie kumpeln mit Putin
Und das ist ja nicht alles. Die AfD kumpelt mit Wladimir Putin, dem schlimmsten Kriegstreiber unserer Zeit. Sie will wieder Kohle, Gas und Öl aus Russland importieren und damit den imperialistischen Wahn des russischen Diktators befeuern. Sie will also einen Despoten stärken, der Europa unterwerfen will und längst auch Deutschland bedroht.
Die AfD will, dass Frauen möglichst viele Kinder bekommen und zu Hause bleiben. Gleichberechtigung verachtet sie. Die AfD will die EU zerstören und aus dem Euro austreten und gefährdet damit unzählige Jobs. Sie arbeitet gezielt mit Falschinformationen, sie hetzt, sie pöbelt, sie redet offen rassistisch. Man könnte diese Liste weiterführen.
Toll, diese Truppe, nicht wahr?
Aber sie ist nur der eine Teil des Problems. Der andere sind ihre Wähler. Was sind sie in den vergangenen Jahren umsorgt worden. Heerscharen von Soziologen und Politikern, Kirchenleuten und Psychologen haben versucht, ihre Motive zu verstehen: Waren sie nicht doch irgendwie verständlich? Hatten sie nicht alle einen Grund, die AfD zu wählen?
Jetzt reicht’s mal. Von Jahr zu Jahr radikalisiert sich die AfD mehr. Jeder Mensch, der sich nicht dauerhaft Augen und Ohren zuhält, weiß: Sie will unser Land in eine dunkelbraune Finsternis führen. Es gibt keinen akzeptablen Grund dafür, diese Partei zu unterstützen. AfD-Wähler wollen doch so schrecklich gern ernstgenommen werden; dann sollten sie sich aber auch selbst ernstnehmen – und nicht ihr Kreuz bei einer Partei machen, die ihnen definitiv nur schadet.
Aus Wut wird Mut
Natürlich ist die Lage gerade schwierig und kompliziert. Natürlich hat die Ampelkoalition am Ende keinen guten Job gemacht. Natürlich überzeugen die Demokraten gerade alle nicht vollends. Und natürlich können einen die Krisen und das rasende Veränderungstempo auf der Welt überfordern. Aber das gibt doch niemandem die Berechtigung, aus lauter Trotz und Selbstmitleid neue Nazis an die Macht zu wählen – und zu denken: So! Jetzt hab ich es denen aber mal gezeigt! Wem denn überhaupt? Wer die AfD wählt, versaut uns allen die Zukunft – und die Gegenwart gleich mit.
So, liebe Leute, das war er, mein Wutausbruch nach der Wahl. Aber dabei bleibt es nicht; ihr wisst, mir liegt viel am konstruktiven Denken. Was jetzt kommt? Die Wut in Mut verwandeln. Damit Deutschland eine gute Zukunft hat. Damit die AfD bei den nächsten Wahlen zur Hölle fährt. Damit sie es nicht schafft, unsere Demokratie zu zerstören. Jede und jeder von uns kann helfen, den Mut wachsen zu lassen, jetzt gleich. Habt ihr Lust mitzumachen? Dann los:
Ihr könnt euch klar machen: Wir sind mehr. 80 Prozent haben die AfD nicht gewählt.
Ihr könnt in eine demokratische Partei eintreten.
Ihr könnt euch in Bürgerräten engagieren, um lokale Probleme zu lösen.
Ihr könnt überlegen, was ihr an demokratischen Parteien gut findet, die nicht euer Favorit sind.
Ihr könnt Politiker auch mal loben.
Ihr könnt mit Freunden, die anderer Meinung sind, diskutieren, was euch trotz aller politischen Unterschiede verbindet.
Ihr könnt eurem Bundestagsabgeordneten schreiben, was euch auf dem Herzen liegt.
Ihr könnt die politischen Zumutungen, die in nächster Zeit kommen werden, mittragen.
Ihr könnt euch daran erinnern, dass wir immer noch in einem wirklich tollen, freien, wohlhabenden, demokratisch reagierten Land leben.
Ihr könnt Nachbarn, Arbeitskolleginnen und Freunde fragen, welche Sorgen sie bedrücken – und zusammen mit ihnen Lösungsideen entwickeln.
Ihr könnt Menschen, die euch besonders sorgenvoll vorkommen, auch einfach mal in den Arm nehmen.
Und wenn euch dieser Text gefallen und Mut gemacht hat, dann könnt ihr ihn gleich jetzt teilen. In eurem Whatsapp-Status, auf Instagram, Facebook und LinkedIn. Geht ganz einfach – mit diesem Link:
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Bis zum nächsten Mal: alles Gute!
Andreas