Wisst Ihr noch, wie nah uns das Wasser kürzlich kam? Erinnert Ihr Euch, wie die Großstadt Oldenburg fast evakuiert werden musste, weil sie abzusaufen drohte? Habt Ihr auch besorgte WhatsApp-Nachrichten von Freundinnen bekommen, die sich erkundigten, ob bei uns hier im Norden gerade alles okay sei – oder unser Haus schon ein Opfer der Flut?
In diesen Wochen rund um den Jahreswechsel haben wir hier im wunderschönen Landkreis Vechta eine Ahnung davon bekommen, wie extrem unschön die menschengemachte Erderhitzung noch werden wird, wenn wir sie weiter eskalieren lassen. Seit Jahren warnen alle Klimaforscher: Je heißer die Welt wird, desto häufiger und heftiger werden Extremwetter-Ereignisse. Also Dürren und Hitzewellen, Starkregen und Stürme. Oder, wie jetzt: moderater, aber wochenlang fast pausenlos anhaltender Regen.
Wir alle haben diese Warnungen tausend Mal gehört. Aber irgendwie wirken sie auf viele Menschen noch immer seltsam abstrakt. Die Warnungen erreichen ihren Kopf, aber nicht ihr Herz. Sie klingen für sie, als hätten sie nichts mit uns zu tun, mit hier und heute. Sondern mit fernen Ländern, mit der Zukunft, mit irgendwo und irgendwann. So sind die Warnungen schnell von den Sorgen des Alltags verdrängt – von steigenden Preisen, der kaputten Waschmaschine oder dem Familienstreit um die Frage, wann die jugendlichen Kinder von der nächsten Party wieder zu Hause sein müssen.
Kein Ort, der sicher ist
Ich möchte mit diesem Text für einen neuen Blick auf das Klimathema werben. Ich möchte dazu ermutigen, dieses Thema nicht mehr nur als abstrakte politische Frage zu verstehen – sondern persönlich zu nehmen. Und sehr ernsthaft zu überlegen, welche Auswirkungen es für mich hat. Für mich und die Menschen, die mir wichtig sind.
Denn die Erderhitzung ist in Wahrheit keine Klimakrise. Sie ist eine Menschenkrise. Und sie ist auch meine Krise, die Krise meiner Eltern, meiner Kinder, meiner Freunde. Dem Klima ist es egal, ob es heißer wird. Für die Menschen aber bedeutet jedes weitere Zehntelgrad Leid, Not, Tod. Und wenn die Krise immer weiter eskaliert, wird es keinen Ort auf der Welt mehr geben, der sicher ist.
Also, was heißt das für mich?
Mein Wald soll nicht brennen
Vielleicht steht das Haus meiner besten Freunde in der Nähe eines Flusses. Dann wünsche ich mir, dass sie darin sicher sind – und nicht bei jedem heftigeren Regen fürchten müssen, dass er sich in einen reißenden Strom verwandelt und ihren Garten, ihren Keller, ihr Wohnzimmer überschwemmt.
Vielleicht gehe ich gern im Wald meiner Stadt spazieren, genieße dort im Frühling den Schutz vor dem Regen, im Sommer das kühlende Blätterdach, im Herbst das raschelnde Laub. Dann wünsche ich mir, dass dieser Wald auch künftig steht – und nicht in endloser Sommerhitze abbrennt, wie so furchtbar viele Wälder in Deutschland, von Griechenland, Italien oder Kanada ganz zu schweigen.
Vielleicht sind meine Eltern nicht mehr die jüngsten. Dann wünsche ich mir, dass sie gesund bleiben, auch an Sommertagen – und dass sie nicht einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt erleiden, weil die 45-Grad-Hitze im Juli die Kräfte ihres Körpers übersteigt.
Der Sturm soll nicht töten
Vielleicht wohnt mein früherer Kollege in einer schlecht isolierten Dachgeschosswohnung in Berlin. Dann wünsche ich mir, dass auch er die Sommer gut übersteht – und nicht von Juni bis August schlaflos bleibt, weil die Hitze in der Stadt auch nachts unerträglich ist.
Vielleicht erinnere ich mich an den Orkan Kyrill, der im Januar 2007 in Deutschland gewütet hat und mich in Berlin mit seiner Urgewalt fast vom Bürgersteig auf eine vierspurige Straße geweht hätte. Dann wünsche ich mir, dass solche Stürme bei uns nicht zum Standard werden – und Bäume entwurzeln, Häuser abdecken, Menschen töten.
Vielleicht kenne ich Landwirte, die schon jetzt spüren, wie die Erderhitzung ihre Arbeit bedroht. Dann wünsche ich mir, dass sie auch in Zukunft vom Ertrag ihrer Felder leben und uns alle ernähren können – und dass nicht immer mehr Ernten im Sommer verdorren und im Winter weggeschwemmt werden.
Der THW soll helfen können
Vielleicht merke ich, dass massenhafte Migration eine Gesellschaft überfordern und Rechtsextremisten an die Macht bringen kann, die die Wut der Menschen für ihren finsteren Kampf gegen die Demokratie benutzen. Dann wünsche ich mir, dass nicht immer mehr Weltregionen durch die Folgen der Erderhitzung unbewohnbar werden und so viele Verzweifelte nach Europa flüchten, wie wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können.
Vielleicht kenne ich ehrenamtliche Helfer von Feuerwehr oder THW, die bei der Flut im Ahrtal oder jetzt bei den jüngsten Überschwemmungen mit angepackt, Schlimmeres verhindert und Schäden beseitigt haben. Dann wünsche ich mir, dass solche Katastrophen in Zukunft beherrschbar bleiben – und nicht immer öfter kommen, so oft, dass irgendwann keiner mehr da ist, der hilft.
Vielleicht habe ich Kinder. Dann wünsche ich mir nicht, dass es ihnen mal besser geht als uns – dieser alte Glaubenssatz ist längst überholt. Aber ich wünsche mir, dass sie eine Zukunft haben. Dass sie hoffen dürfen auf ein Leben in Sicherheit, in Freiheit, in Würde. Dass sie irgendwann selbst mit einem guten Gefühl Kinder in die Welt setzen können. Und dass sie nicht verzweifeln, weil sie auf einem chaotischen Dauerkrisenplaneten leben, der kaum mehr lebenswert ist.
Veränderung ist eine Chance
Jede und jeder von Euch kann diese Liste fortsetzen – und selbst überlegen, was es für sie oder ihn bedeutet, die Klimakrise persönlich zu nehmen. Vielleicht, dass Veränderung gerade hier eine Chance ist – die einzige, die wir haben? Und dass jeder bei dieser Veränderung mitmachen sollte, hier und jetzt?
Wie gesagt, vielleicht habe ich Kinder. Dann liebe ich sie ganz bestimmt, über alles in der Welt. Ich will, dass es ihnen gut geht, heute, morgen, immer. Und ich weiß: Wenn sie mich irgendwann mal fragen, was wir getan haben, damals, im Jahr 2024, als wir alles über diese gigantische, existenzbedrohende Klimakatastrophe wussten, wirklich alles, dann will ich ihnen in die Augen schauen – und ich will ihnen eine Antwort geben können, die sie und mich überzeugt.
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Andreas