„Jeder Mensch, den Du rettest, ist wertvoll“
Franz-Josef Schlömer erzählt, was die Initiative Sportler gegen Hunger verändert hat
Jeder im Kreis Vechta kennt die Initiative Sportler gegen Hunger. 1984 hat die Sportredaktion der Oldenburgischen Volkszeitung sie zusammen mit dem Kreissportbund Vechta ins Leben gerufen, um Hilfsprojekte in Afrika zu unterstützen. Bis heute hat SgH schon 5,4 Millionen Euro eingebracht. Franz-Josef Schlömer (66), langjähriger Sportchef der OV und auch mein erster Ausbilder, hat die Aktion von Anfang an maßgeblich geprägt. Im Interview hat Flanni mir erzählt, was SgH verändert hat – in Afrika, im Kreis Vechta und bei ihm selbst.
Was war Euer Ziel, als Ihr im Dezember 1984 mit Sportler gegen Hunger angefangen habt?
Wir hatten damals eigentlich kein Ziel. Wir wollten einfach nur helfen – so wie jetzt viele Menschen, wenn sie die Bilder vom Krieg in der Ukraine sehen. Damals hatte ein BBC-Team in Äthiopien einen Film gedreht, der war extrem: kleine Kinder an der Straße, völlig abwesend, die am Verhungern waren. Solche Bilder hatte es in dieser Dramatik noch nie gegeben. Die waren ein weltweiter Schock.
Was habt Ihr gedacht, als Ihr die Bilder gesehen habt?
Wir haben gedacht: Mensch, da müssen wir was machen. Da können wir nicht einfach nur zugucken. Also haben wir in der Redaktion und mit dem Kreissportbund überlegt: Lasst uns eine Aktion starten! Lasst uns Spenden sammeln!
Dann habt Ihr den Aufruf in der OV gebracht – und sofort haben zwei Fußballteams spontan etwas aus der Mannschaftskasse gespendet.
Genau. Die erste Mannschaft, das war Stefan Honkomps Falke Steinfeld. Er rief sonntags an und sagte: „Okay, 500 Mark aus der Mannschaftskasse spenden wir.“ Später hat er erzählt, dass er die Mannschaft gar nicht gefragt hatte. Er hat es einfach gemacht. Die Spende stand montags in der Zeitung. Das hat dann Turkey von Wahlde gesehen, damals Spieler bei RW Damme, und er hat gesagt: „Wir geben 500 Mark und einen Pfennig.“ Eine kleine Rivalität war also sofort dabei. Ja, so ging das los.
Und wie ging es weiter?
Wir haben gleich gesagt: Wir machen jede Spende in der Zeitung publik. Wir nennen zwar nicht die Summe, aber den Namen des Spenders. So ähnlich wie heute bei den Spendengalas im Fernsehen, wo die Spender unten als Band durchlaufen.
Warum war Euch das wichtig?
Erstens freut sich jeder drüber, wenn er genannt wird. Und zweitens sagen andere, wenn sie das lesen: „Oh, der hat gespendet und der – dann muss ich auch mal ran!“ Was sich daraus mal entwickeln würde, konnten wir damals noch nicht ahnen.
Wie ist SgH dann gewachsen?
Ein Jahr später, im Winter 1985, war die Hungerkatastrophe in Äthiopien aus den Schlagzeilen verschwunden. Keiner hat mehr darüber geredet. Aber wir haben gesagt: Hunger gibt’s trotzdem, wir starten die Aktion nochmal. Das erste Jahr war mit 110.000 Mark doch so ein Supererfolg! Selbst wenn’s jetzt weniger wird: Jede Mark, die kommt, ist ein Gewinn. Mit jeder Mark können wir was verändern. Dann kamen 82.000 Mark zusammen – und die ersten SgH-Turniere sind entstanden. Das erste haben wir selbst initiiert, den OV-Supercup. Da hab ich selbst noch mitgespielt mit unserer Betriebsmannschaft.
Und?
Wir sind nicht Letzter geworden!
Sondern?
Dritter. Sogar vor den Trainer-Allstars und Falke Steinfeld.
Hast Du ein Tor geschossen?
Nee, das nicht. Da hatte ich meinen Zenit schon überschritten.
Der Supercup war schnell nicht mehr das einzige SgH-Turnier.
Ja, SgH hat sich schnell verändert – vom Spendensammeln zu einem Sportangebot, bei dem immer mehr Vereine Sportveranstaltungen nur für Sportler gegen Hunger gemacht haben.
Was hat die Vereine motiviert?
Wir haben von vornherein gesagt, wir berichten über diese Veranstaltungen groß und bevorzugt. So konnten sich auch Vereine darstellen, die sonst nicht so im Rampenlicht stehen. Wir haben das über all die Jahre gepusht und den Vereinen damit gezeigt: Wir stehen hinter dem, was ihr macht! Diese Verbundenheit war sehr wichtig.
Und irgendwann ist SgH zu einem Markenzeichen geworden.
Ja. SgH kennt heute jeder. Und immer haben viele mit angepackt. Ich weiß noch, im dritten Jahr riefen die Leute von meinem Heimatverein Blau-Weiß Langförden bei mir an und sagten: „Wir wollen auch wohl ein Turnier machen, aber wir haben keine Halle. Kannst Du da was machen?“ Also hab’ ich einen kleinen Aufruf in der Zeitung gemacht. Prompt meldete sich der Hausmeister der Halle von Vechta-Nord – und da haben sie das Turnier dann gemacht.
Waren alle sofort begeistert von SgH?
Am Anfang nicht, nein. Beim Altherren-Training fragte mich ein Teamkollege: „Muss das ganze Geld da unten nach Afrika gehen? Können wir das nicht für die Jugendarbeit hier bei uns nehmen?“ Da hab’ ich gesagt: „Sicher könnt ihr das machen. Dann schreiben wir eine kleine Meldung über das Turnier. Aber wenn Ihr es für SgH macht, kriegt Ihr einen großen Bericht.“ Heute steht der ganze Ort dahinter, bei jedem Verein.
Wie erklärst Du Dir das: dass auch anfängliche Skeptiker heute begeistert sind?
Die Generation, die jetzt das Ganze trägt, die ist mit SgH aufgewachsen. Für die gibt es nichts anderes. Die Leute im Organisationsteam, die brennen für Sportler gegen Hunger. Die überlegen das ganze Jahr, was sie für den nächsten Winter machen können. Und wenn dann SgH ist, dann sind sie drei, vier Tage unter Strom. Da fragt keiner mehr, warum das Geld nach Afrika muss.
Was verändert es bei den Menschen, dass sie bei SgH nicht nur spenden, sondern selbst aktiv sind – als Organisatoren, Sportler, Helfer, Zuschauer?
Sehr viel. SgH-Veranstaltungen sind richtige Events. Da gehen die Leute gern hin, da erleben sie was, sind gut drauf – und spenden dann auch gern. Sie sagen sich: „Der Verein stellt was auf die Beine. Der macht was richtig Schönes, was richtig Gutes! Da sind wir dabei.“ Spaß haben und helfen – das passt zum Charakter der Leute hier.
Ihr habt immer klar gesagt, wohin die Spenden gehen: an die Stiftung „Menschen für Menschen“ – und an ausgewählte Missionsschwestern aus dem Kreis Vechta, die in Afrika tätig sind. Was hat diese Klarheit gebracht?
Sie war wichtig. Weil die Leute dadurch wussten, was ihr Geld bewirkt.
2014 ist in dem äthiopischen Dorf Kelecha Jibat durch die Spenden von SgH erstmals der Bau einer Schule begonnen worden.
Das war ein entscheidender Schritt. Mein Kollege Volker Kläne ist damals nach Äthiopien gefahren – in das Gebiet, in dem die Schule entstehen sollte. Er kam wieder mit Fotos von einem kleinen, dunklen Loch in einer Wellblechhütte, mit 150 Kindern in einem Raum. Das war eine Schulklasse, und er saß mittendrin. Als wir diese Fotos gedruckt haben, sagten viele: „Da müssen wir helfen!“ Die Aufklärung, wie sinnvoll unsere Hilfe ist, die hat die Menschen begeistert. Ein paar Jahre später waren ein paar SgH-Leute aus Bakum und Langförden dann bei der Einweihung der Schule dabei. Die sind in dem Dorf wie Staatsgäste empfangen worden. Sie konnten das gar nicht fassen. Mit dem Video haben sie dann hier in Bakum und Langförden Werbung gemacht. Diese Bilder, die haben für einen Schub gesorgt. Wenn Du die siehst, dann weißt Du: Alles hat sich gelohnt. Das ist wirklich bewegend.
Waren die Schulbauten das Wichtigste, was Ihr in Afrika verändert habt?
Das will ich nicht sagen. Jedes Projekt, das wir unterstützt haben, hat seinen Wert. Aber Karlheinz Böhm …
… der frühere Schauspieler und Gründer der Stiftung „Menschen für Menschen“ …
… hat oft gesagt: „Wenn Du was verändern willst, müssen die Menschen lesen und schreiben können, um was mitzukriegen in der Welt.“ Und die Schulen haben der SgH-Bewegung einen zusätzlichen Schub gegeben. Davon bin ich fest überzeugt. Jeder Sportler im Kreis Vechta hat das Schild gesehen: „SgH-Schule Kelecha Jibat“. Und jeder hat gesagt: „Das ist unsere SgH-Schule!“
Karlheinz Böhm war mehrmals im Kreis Vechta und hat Vorträge über seine Arbeit gehalten – und darüber, wie wichtig die SgH-Spenden dafür sind. Was hat das verändert?
Viel. Karlheinz Böhm war charismatisch. Wenn er was erzählt hat, hast Du an seinen Lippen gehangen. Ich hab ihm mal gesagt, unsere Spenden, die seien doch eigentlich nur ein Tropfen Wasser auf den heißen Stein. Da antwortete er: „Ohne einen Tropfen Wasser gibt es kein Meer.“ Das heißt: Du musst den Tropfen auf jeden Fall schon mal haben und vielleicht noch einen zweiten dazu und einen dritten. Darauf kommt’s an. Böhm sagte auch: „Das sind nicht 100.000 Hungertote. Das ist 100.000 Mal ein Mensch, der an Hunger stirbt – und das darf nicht sein. Jeder einzelne Mensch, den Du rettest, ist wertvoll.“ Solche Sätze von ihm zu hören, das hat was in mir verändert. Das hat mich begeistert. Er war überhaupt nicht abgehoben, er hat klipp und klar Probleme angesprochen. Und obwohl er so prominent war, war er immer nahbar.
Woran hast Du das gemerkt?
Was ich nie vergessen werde: Bei einem Vortrag von Böhm fiel Udo Quaschigroch, dem Organisator dieses wahnsinnigen Bobrennens im Ritzer in Dinklage, mal aus Versehen eine Mark vom Tisch runter. Er hob das Geldstück auf und sagte: „Du Karlheinz, ich bin Udo, ich bin Bobfahrer.“ Da bin ich zusammengezuckt: Er hat Karlheinz Böhm geduzt! Das kann man doch nicht machen! Und dann fragte Udo: „Wieviel von dieser Mark kommen da in Äthiopien wirklich an?“ Das hat Böhm dann detailliert und sauber erklärt. Das hat mich beeindruckt.
Das Bobrennen im Ritzer ist längst Kult – wie so viele SgH-Veranstaltungen, die jeder kennt: vom Mühlener Silvesterlauf bis zum Lohner Weihnachtssingen. Welche bewunderst Du besonders?
Ganz ehrlich: Eine Veranstaltung, bei der 2.000 Euro rauskommen, ist mir genauso lieb wie eine Veranstaltung, bei der 20.000 Euro rauskommen. Jede hat ihren Wert, egal ob groß oder klein. Du hast den Mühlener Silvesterlauf angesprochen: Ich weiß noch, bei der Premiere, 1988, da waren da vielleicht 100 Läufer. Und als der Sieger ins Ziel lief, sah man drumherum das ganze leere Gelände. Da war kein einziger Zuschauer!
Und heute …
… haben sie über 1500 Läufer. Und Zuschauer ohne Ende. Unfassbar, wie sich das entwickelt hat. Nach dem Rennen stehen die Leute immer noch in der Schützenhalle zusammen und trinken ein Bier. In den ersten Jahren gab’s da ein immer dichteres Gedränge, herrlich eng. Irgendwann Ende der 90er Jahre wurde es dann zu eng, seitdem bauen sie auf dem Schützenplatz immer ein großes Zelt auf. Plus Pommesbude. Und die Stimmung da ist immer super, die ist ein Erlebnis.
Was habt Ihr in der Zeitung zu dieser Entwicklung beigetragen?
Wir haben die Veranstaltung in der Zeitung immer weiter gepusht, mit Berichten, mit Fotos, mit Serien. Wir haben versucht zu transportieren: Mühlen, das ist ein super Erlebnis, letzter Tag im Jahr, alle gut gelaunt, da muss man hin, alle Heimatsportler sind da. Das hat die Leute immer mehr animiert. Und irgendwann meinte wirklich jeder: Da muss man hin. So wurde das immer größer.
Das Lohner Weihnachtssingen hat ähnlich erstaunlich Karriere gemacht, oder?
Absolut, ja. Das war am Anfang eine verrückte Idee der Basketballer von den Magic Laiens um Hottea Kamphaus. Die haben am 23. Dezember in der Lohner Fußgängerzone gesungen. Hottea sagt manchmal: „Es gab Zeiten, da hat’s geregnet und da waren mehr Sänger auf der Bühne als Leute davor, die zuhörten.“ Aber sie haben einfach immer weitergemacht, die Zuhörer wurden mehr – und irgendwann hörten da Tausende zu, der ganze Lohner Marktplatz war voll. Heute geht jeder, der an Weihnachten auf Heimatbesuch bei den Eltern ist, da am 23. hin. Und es ist ein Erlebnis.
In der Corona-Zeit konnten Großveranstaltungen nicht stattfinden. Warum hat SgH diese Zeit so gut überlebt?
Weil die Organisatoren unglaublich kreativ waren. Die Lohner zum Beispiel haben ein Online-Singen gemacht und einen Spenden-Drive-In – und dabei noch mehr eingenommen als sonst. Die Bakumer haben einen Brötchen-Drive-In gemacht und ihre Tombola haben sie unter Corona-Regeln von Haus zu Haus gebracht. Die haben das alle im Blut. Die sind mit Herz und Leidenschaft dabei, das merkst du bei jedem. Nach dem Spiel ist für die vor dem Spiel, die Floskel passt bei SgH wirklich mal.
Ihre Veranstaltungen wegen Corona ausfallen zu lassen, wäre für die Sportler nicht infrage gekommen, oder?
Auf keinen Fall. Sie haben gesagt: Wir müssen was für Sportler gegen Hunger tun! Was haben die alles da auf die Beine gestellt! Sie haben SgH-Retter-T-Shirts verkauft, Getränkeboxen verkauft, selbstgekochtes Mittagessen rumgebracht – alles nur für SgH.
Wie erklärst Du Dir die unglaubliche Kreativität, die in den Vereinen über all die Jahre gewachsen ist?
Tja, ich denke mal, die Leute hier, die sind einfach so. Diese Kreativität, die muss wohl in den Genen der Sportler aus dem Kreis Vechta stecken.
Was hat SgH in den Vereinen verändert?
Es hat den Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl unheimlich gestärkt. Durch SgH haben die Vereine ein gemeinsames karitatives Ziel. SgH hat eine riesige Breitensportbewegung losgetreten, einzigartig weit und breit. Und viele Vereine haben durch SgH einen starken Zulauf von Mitgliedern gekriegt. Jürgen Hörstmann, der Vorsitzende des Kreissportbundes, sagt: In den vergangenen Jahren haben unsere Vereine hier immer wachsende Mitgliederzahlen – gegen den Landestrend! Überall sinken die Zahlen, hier nicht.
Was hat SgH noch bewegt?
Sportler gegen Hunger ist im Kreis Vechta eine richtige Institution geworden. Die kriegt man nicht mehr weg. Es ist schon eine eigene Hilfsaktion, so eine Art kleines Adveniat zu Weihnachten. Und alle stehen dahinter.
Insgesamt hat SgH schon 5,4 Millionen Euro Spenden eingebracht. Was empfindest Du, wenn Du diese Zahl hörst? Stolz?
Stolz? Das ist mir viel zu viel Pathos. Damit kann ich nichts anfangen. Ich freue mich einfach, dass die Sache sich so entwickelt hat. Und dass ich durch meine Leidenschaft die Leute motiviert habe. Und ich freue mich, dass es auch nach meinem Eintritt in die Rente mit SgH genial weitergeht. Die Jungs, die das jetzt machen, habe ich ja alle ausgebildet. Die sind mit Sportler gegen Hunger großgeworden, und die führen das genauso weiter. Es war nie geplant, dass das mal so groß wird. Aber manche Dinge entwickeln sich im Leben einfach sehr schön.
Du hast 2019 bei der OV aufgehört und bist jetzt Rentner. Wie hat das Deinen Blick auf SgH verändert?
Ich habe von vornherein gesagt: Ich will da nirgendwo mehr mitrödeln. Das sollen jetzt meine Nachfolger machen. Ich will da nicht als graue Eminenz dazwischenfunken. Zu den SgH-Veranstaltungen in Langförden und Bakum gehe ich immer noch gern, esse Bratwurst, trinke Bier und schnacke mit den Leuten. Das genieße ich. Das reicht mir. Da bin ich bestens zufrieden.
Was schätzt Du, wie viele Stunden Freizeit Du in Deinem Leben für SgH investiert hast?
(lacht) Das spielt für mich keine Rolle. Wenn ich da zu den Vereinen hingegangen bin, um über ihre SgH-Veranstaltungen zu berichten, dann hatte ich nicht das Gefühl, ich opfere jetzt meine Freizeit. Ich bin da hingegangen, um mit den Leuten zu schnacken. Und ich habe mich immer wohl dabei gefühlt. Ich bin ja ein geselliger Typ, ich schnacke gern. SgH war eine geile Zeit, es hat mein Leben bereichert.
Inwiefern?
Ich habe für SgH ja nicht nur viel gegeben, ich habe auch viel bekommen. Allein die Begegnungen mit Karlheinz Böhm! Und wir sind ja auch ein paar Mal ausgezeichnet worden. Mit dem Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Und drei Mal mit dem Laureus-Medienpreis. Das war ja eine exklusive Sache, da waren ja außer uns nur Promis. Das zu erleben, war schon toll.
Ihr habt auf der Bühne gestanden mit Leuten wie Franz Beckenbauer, Boris Becker und Mesut Özil …
… und mein Kollege Volker Kläne erzählt heute noch, dass der Boxer Axel Schulz ihm eine Zigarre schuldet. Wir haben damals eine mit ihm geraucht. Und wir haben mit den Klitschkos geschnackt, Vitali und Wladimir. 2009 hatte Volker gerade seinen Arm gebrochen und hatte eine Schiene drum. Da hat Wladimir Klitschko gesagt: „Wie ist das denn passiert? Beim Boxen?“ Dann haben wir ein Foto mit Boxhandschuhen gemacht, mit ihm in der Mitte. Und heute kämpfen die Klitschkos im russischen Angriffskrieg um ihr Leben. Gehen da hin, ziehen sich kugelsichere Westen an, setzen sich Helme auf und kämpfen für ihr Land. Wahnsinn.
Wie haben all die SgH-Erlebnisse, die großen und die kleinen, Dich verändert?
SgH hat mich sehr verändert. Es hat mein Leben geprägt. Vorher habe ich fast nur für den Sport gelebt, der Sport war meine Welt. Ich war ein kleiner, wohlbehüteter Arbeiterjunge, ich bin zwar zur Wahl gegangen, aber für Politik und den Rest der Welt habe ich mich nicht so interessiert. Durch SgH habe ich einen ganz anderen Blick aufs Leben bekommen.
Inwiefern?
Ich habe klare politische und gesellschaftliche Positionen entwickelt. Ich habe gemerkt, dass es in der Gesellschaft wie im Sport ist: Mein Herz schlägt für die Kleinen, die Außenseiter, die Benachteiligten. Allein die Gespräche mit den Nonnen über ihre Arbeit in Afrika haben mich verändert. Ich habe die Welt dadurch mit ganz anderen Augen gesehen. Die Geschichten aus Afrika haben mich berührt, sie haben mich nicht losgelassen.
Welche Geschichte hat Dich besonders berührt?
Eine Nonne hat mal erzählt, dass sie in einem Krankenhaus gearbeitet hat. Wenn da zwanzig Leute mit einer lebensbedrohlichen Krankheit waren, aber sie nur zehn Spritzen hatte, die dagegen helfen – musste sie überlegen, wem sie sie gibt. Sie musste also entscheiden: Wer kriegt eine Chance zu überleben und wer nicht? Ich habe nicht nachgefragt, nach welchen Kriterien sie das ausgewählt hat. Aber ich denke: Hier in Deutschland philosophiert der Bundestag in der Corona-Zeit über Triage. Und da in Afrika, da hat keiner philosophiert. Da mussten die es machen.
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Andreas