Die Schauspielerinnen und Sänger auf der Bühne, die stehen im Licht. Bei Konzerten, Theaterstücken, Musicals. Aber den Mann, der das Licht macht, den sieht man nicht. In Lohne ist das seit Jahren Kjell Jaeger (20). Er denkt sich die Lichtkonzepte für kleine und große Shows aus und setzt sie um. Im Interview hat er mir erzählt, was er mit Lichteffekten bewirken kann – und warum sie ihn so sehr faszinieren.
Was ist für Dich gutes Licht?
Gutes Licht machen heißt für mich, in jedem Moment wahrzunehmen: Was verlangt das, was auf der Bühne passiert, gerade von mir? Wie kann ich es unterstützen? Ich sollte also nicht immer alle Möglichkeiten ausschöpfen, sondern mich auch mal bewusst zurücknehmen und sagen: Das ist jetzt eine ruhige, intime Nummer. Die braucht Raum, um für sich stehen zu können. In den richtigen Momenten kann ich dann aber auch alles abfeuern, was ich habe.
Gar nicht so einfach, das hinzukriegen, oder?
Das stimmt. Als ich angefangen habe, brauchte ich erst mal ein Jahr, um eine Idee davon zu bekommen, was gutes Licht sein könnte. Jeder hat ja eine Idee davon, was guter Ton ist. Guter Ton ist, wenn alles verständlich ist und gut klingt. Aber gutes Licht? Das ist komplizierter.
Wie hast Du damals angefangen mit dem Licht?
Ich bin da eher zufällig reingerutscht, 2017 war das. Mein Bruder war mit dem damaligen Lichttechniker befreundet und sagte, da wird noch wer gesucht. Ich war technisch interessiert, und ich fand es schon immer cool, was die Lohner Musical-AG macht. Also hab ich angefangen: Erst habe ich nur mit aufgebaut. Dann habe ich einzelne Shows mit gedrückt – und dann auch mal ein bisschen was selbst programmiert. So habe ich immer mehr Verantwortung übernommen: bei der Musical-AG, dann auch bei den Meisterkonzerten und den Aufführungen des Theaterrings. So ist immer mehr dazugekommen – und jetzt mache ich seit Jahren auch das Licht beim Talent-Event …
… einer großen Show für Talente aus der Region …
… oder bei den Veranstaltungen in der Kleinkunstbühne Chameleon.
Was fasziniert Dich am Licht?
Ich mag die Arbeit, weil sie so facettenreich ist. Der Mix aus kreativer und handwerklicher Arbeit, der reizt mich. Ich kann mir überlegen: Welche Stimmungen könnten hier passen? Wie kann ich sie verstärken? Wie kann ich mit Licht Träume kreieren?
Das ist der kreative Teil. Und der handwerkliche?
Der kommt im Aufbau. Da sehe ich zum Beispiel: Okay, dieser Scheinwerfer, der muss jetzt irgendwie da oben hin. Geht aber nicht so einfach. Also muss ich mir irgendein Holzgestell bauen, damit das klappt. Ich muss anpacken. Und ich habe immer neue Herausforderungen. Das macht mir Spaß. Es wird nie langweilig.
Wie hast Du im Laufe der Zeit gemerkt, dass Du besser wirst?
Das, wofür ich früher drei Tage gebraucht habe, schaffe ich jetzt in einem halben Tag. Ich bin schneller am Pult, kriege Dinge schneller zum Laufen, kann Probleme schneller lösen. Aber so richtig sehe ich erst, wie viel besser ich geworden bin, wenn ich heute zurückgucke auf die ersten Veranstaltungen, bei denen ich das Licht gemacht habe.
Inwiefern?
Beim Talent-Event habe ich zum Beispiel 2019 zum ersten Mal das Licht gemacht. Damals war ich damit zufrieden, und auch heute würde ich nicht sagen, das war schlecht. Aber ich habe mich schon weiterentwickelt seitdem. Das Licht beim letzten Talent-Event im vergangenen November, das war eine andere Welt. Ich hatte mehr Wissen und mehr Ideen, ich hatte viel größere technische Möglichkeiten, und ich konnte sie ganz anders umsetzen. Ich hatte natürlich auch mehr Zeit.
Weil Du zurzeit Dein Freiwilliges Soziales Jahr beim Verein Bühnentalente machst, der viele Shows hier in Lohne organisiert.
Genau. Ich kann mich jetzt 40 Stunden pro Woche auf so eine Show konzentrieren – oder auch mal mehr. Ich muss nicht auch noch zur Schule gehen. Beim Talent-Event habe ich wirklich für jeden Showact jede einzelne Lichtstimmung geplant. Allein für einen Zehn-Minuten-Auftritt habe ich mehr als 400 Lichtstimmungen programmiert.
In zehn Minuten hat sich also 400-mal das Licht geändert?
Ja, genau. Wenn die Musik das hergibt, kann man da echt viel machen. Die Ideen dafür müssen sich über die Zeit aber eben auch erst mal entwickeln: Zu welcher Stelle im Lied, zu welchem Gitarrensolo passt welcher Effekt? Und was ist überhaupt sinnvoll? Ich will ja nicht zehn Minuten abwechselnd immer wieder die gleichen drei Effekte abfeuern – denn dann wird’s langweilig.
Das Licht sollte aber nie den Künstlern die Show stehlen, oder?
Nein, auf keinen Fall. Es sollte immer im Einklang mit der Show stehen. Wenn eine ruhige Ballade gesungen wird, sollte nicht alles anfangen zu blitzen, sich zu bewegen und die Leute zu blenden. Aber wenn ein Act die Leute motivieren, gute Stimmung und Energie verbreiten will, dann darf das Licht auch kraftvoll sein.
Was kann das Licht im besten Fall auf der Bühne verändern?
Das Licht hebt alles auf ein neues Level. Es sorgt dafür, dass das Gefühl, das die Künstler vermitteln wollen, bestmöglich bei den Zuschauern ankommt. Sowohl eine intime Stimmung als auch eine Partystimmung voller Leben und Energie. Ich kann mit dem Licht Emotionen verstärken.
Bei welcher Veranstaltung warst Du auf Deine Lichttechnik mal besonders stolz?
Beim letzten Talent-Event. Weil es vom Aufwand und vom Umfang her das größte Projekt war, das ich bisher gemacht habe. Ich habe mehrere Wochen am Konzept, der Programmierung und der Umsetzung gefeilt. Und es hat alles einwandfrei geklappt. Darauf bin ich stolz. Ich habe danach auch sehr viel positives Feedback bekommen.
Das nächste große Projekt, für das Du das Lichtkonzept entwickelt hast, ist „Sister Act“ von der Musical-AG Lohne, das am 1. Juni Premiere feiert. Was war die größte Herausforderung dabei?
Ich muss zwei verschiedene Welten durch das Licht trennen: hier das Kloster – dort die Club- und Show-Welt, in der sich die Nonne Deloris, die Hauptdarstellerin, rumtreibt. Ich muss einen Kontrast schaffen. Im Club haben wir altmodisches Halogenlicht aufgehängt, das man so heutzutage nicht mehr an die Decke hängen würde, weil die Scheinwerfer 30 Jahre alt sind. Aber zur Atmosphäre eines Clubs aus den 70er-Jahren passen sie perfekt. Und im Club darf nicht nur viel sichtbares Licht sein, da glitzert auch mal was, da leuchtet was in Regenbogenfarben, und in den Gesangsszenen fährt auf einmal eine Spiegelkugel aus der Decke.
Und im Kloster?
Die Szenen, die im Kloster spielen, beleuchte ich ganz anders. Da unterstützt das Licht die Szenen zwar, aber es ist nicht so stark im Vordergrund. Es fällt den Zuschauern im ersten Moment vielleicht gar nicht so auf. Es ist sehr viel schlichter, und es gibt sehr viel weniger sichtbare Scheinwerfer.
Wie beleuchtest Du die Schauspieler?
Das kommt drauf an, ob sie gerade eine Szene spielen oder ein Lied singen. In den Szenen ist es wichtig, dass sie in ihrem Spiel gut zu sehen sind, dass man ihre Gesichtsausdrücke gut erkennen kann und dass alles sehr realistisch ist. In den Songs habe ich deutlich mehr Freiheiten: Da muss das Licht nicht realistisch sein, es darf auch mal bunt werden und anfangen zu flackern. Dieser Kontrast macht klar: Das ist jetzt kein realer Raum mehr. Im normalen Leben fangen die Leute ja auch nicht aus heiterem Himmel auf einmal an zu singen.
Du hast bei „Sister Act“ nicht nur das Lichtkonzept entwickelt, Du stehst auch als Schauspieler auf der Bühne.
Genau, ich spiele den Gangster Curtis.
Kriegst Du das gut hin: auf der Bühne zu stehen und zu wissen, das Licht drückt jetzt ein anderer?
Während der Proben ist es schwierig für mich, mich auf die Bühne zu stellen und zu sagen, ich achte jetzt nicht aufs Licht. Weil ich dann doch dauernd im Kopf habe: Okay, dieser Scheinwerfer müsste jetzt gerade an sein – und der auch. Passt dies? Passt das? Ich bin da immer am Scannen.
Klingt anstrengend.
Ja, ich muss mich da ein bisschen zurücknehmen und mir spätestens bei den Aufführungen sagen: Okay, so schwer es auch ist – achte nicht mehr drauf! Weil: Was ändern kann ich dann ja eh nicht mehr. Ich kann ja schlecht von der Bühne aus noch irgendwelche Scheinwerfer an- und ausmachen. Das muss dann laufen. Wenn ich auf der Bühne stehe, muss ich beim Licht Kontrolle abgeben.
Und das fällt Dir schwer?
Eigentlich ist es nicht das Problem – weil ich weiß, dass die Aufgabe auch dann von Leuten gemacht wird, die total kompetent sind und denen ich hundertprozentig vertraue. Aber hinter der Bühne zu stehen, bin ich halt mittlerweile auch seit sechs Jahren gewohnt. Da habe ich meine Erfahrung, da kenne ich meine Abläufe. Auf der Bühne zu stehen, ist doch immer noch ein bisschen aufregender und ungewohnter.
Die Rolle im Hintergrund liegt Dir mehr?
Ich hab schon Spaß daran, auf der Bühne zu stehen. Hinter der Bühne fühle ich mich aber noch ein bisschen wohler. Ich arbeite gern im Hintergrund.
Dein Freiwilliges Soziales Jahr ist nun bald zu Ende. Wie ist die Idee dazu überhaupt entstanden?
Ich habe mir gesagt: In diesem Jahr will ich das, was ich vorher nebenbei als Hobby gemacht habe, Vollzeit machen. Auch um zu überprüfen: Macht’s mir dann immer noch Spaß? Will ich das später mal beruflich machen?
Wie hast Du Dich in diesem Jahr entwickelt?
Ich bin noch routinierter geworden. Ich hab noch mehr neue Ideen bekommen. Wahrscheinlich bin ich auch besser geworden. Und ich habe schnell gemerkt: Das macht mir sehr viel Spaß. Das möchte ich beruflich machen.
Du fängst im August in Hamburg bei PRG an, einem der größten Event- und Veranstaltungstechnik-Dienstleister der Welt.
Genau, ich mache da eine Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik. PRG ist weltweit aktiv, zum Beispiel bei den Olympischen Spielen in Paris, beim Karneval in Rio und bei vielen großen Konzerten. Das ist mir wichtig, denn ich will gucken: Was ist technisch möglich, wenn man bei Veranstaltungen ein unbegrenztes Budget hat und die einzige Grenze die eigene Kreativität ist?
Ist die Lichttechnik in Lohne nicht auch schon ziemlich professionell?
Ja, die Ausstattung ermöglicht mir schon sehr viel. Aber natürlich wird das Budget für eine Veranstaltung hier nie unbegrenzt sein. Das ist immer eine Herausforderung, aber auch ein Teil des Reizes, dass ich weiß: Wir haben hier zwar schon ziemlich viele Scheinwerfer. Aber irgendwann komme ich an die Grenzen und muss mir überlegen: Wie kann ich meine Idee trotzdem umsetzen?
Bei PRG sind diese Grenzen nicht da. Welche Veranstaltungen würdest Du da gern mitmachen?
Zu großen Stadionkonzerten mitzufahren, das fände ich cool. Im Vorstellungsgespräch hieß es: In den drei Jahren der Ausbildung erweitert sich der Umkreis, in dem man mitmacht, immer weiter. Die Azubis aus dem dritten Lehrjahr waren vor kurzem in Tokio.
Klingt spannend.
Absolut, ja. Ich werde in den drei Jahren sehen: Was macht mir Spaß, was weniger? In der Ausbildung lerne ich nicht nur viel übers Licht, auch über Ton, Video, Aufbau, Planung. Danach ist also alles möglich. Ich weiß jetzt noch gar nicht, wo ich hinwill. Ich weiß nur: Gerade habe ich sehr viel Spaß daran, Licht zu machen. Aber vielleicht entdecke ich auch noch einen neuen Weg für mich.
So, liebe Leute, drei Bitten habe ich jetzt noch.
Die erste: Empfehlt dieses Interview weiter! Teilt es auf Instagram, in Eurem Whatsapp-Status, auf Facebook und LinkedIn. Geht ganz einfach – mit diesem Link:
Die zweite: Abonniert meinen Newsletter (falls Ihr nicht eh längst dabei seid)! Tragt hier Eure Mailadresse ein – und Ihr bekommt automatisch alle zwei Wochen kostenlos meinen neuesten Text. Immer über die Frage, wie Veränderung eine Chance sein kann:
Die dritte: Lasst Euch Sister Act nicht entgehen! Premiere ist am 1. Juni, Karten gibt’s hier.
Bis zum nächsten Mal: alles Gute!
Andreas