Kürzlich ist Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern im Alter von nur 42 Jahren zurückgetreten – auf bemerkenswerte Art. „Ich weiß, was man für diesen Job braucht, und ich weiß, dass ich nicht mehr genug im Tank habe“, sagte sie mit brüchiger Stimme. „Wir geben alles, solange wir geben können, und dann ist es vorbei. Und für mich ist es nun an der Zeit.“ Ardern traute sich, aus einer Position der Stärke heraus Schwäche zu zeigen. Sie gab zu, dass auch eine mächtige Frau sich ohnmächtig fühlen kann.
Mit ihrer Entscheidung und ihren Worten zeigte Ardern, welche Kraft ein Abgang zur richtigen Zeit entfalten kann und was er verändern kann – für sich und für andere. Zu gehen statt zu bleiben, das kann überall wertvoll sein: im Großen wie im Kleinen, in der Politik wie im Privaten.
Die überraschten Reaktionen, die Ardern mit ihrem Rücktritt ausgelöst hat, lassen erahnen, wie ungewohnt solch ein Schritt für uns noch ist – und wie sehr wir es für normal halten, dass Menschen an ihren Ämtern und Funktionen kleben. Viele klangen, als seien sie bei der Nachricht vom Abgang der neuseeländischen Regierungschefin zusammengezuckt und hätten gedacht: „Huch! Wie schade! Die wird fehlen!“
Neue Perspektiven
Jede und jeder von Euch hat vermutlich schon mal erfahren, was passiert, wenn Menschen den richtigen Zeitpunkt für einen Abgang verpassen. Wenn sie einfach nie gehen wollen, sondern immer bleiben. Es gibt Jugendleiter in Fußballvereinen, Vorsitzende von Pfarrgemeinderäten oder Chefs von Ortsverbänden einer Partei, die 20, 30, 40 Jahre lang auf ihrem Posten sitzen, sich für unersetzlich halten, Nachwuchskräfte demotivieren, Entwicklung und Veränderung verhindern – gern mit dem schlechten alten Spruch: „Das haben wir hier schon immer so gemacht.“
Wer geht, schafft Platz: für neue Menschen, neue Gedanken, neue Perspektiven. Traut anderen etwas zu, nicht nur sich selbst. Sieht Veränderung als Chance. Wer geht, erntet oft Bedauern, Anerkennung, Respekt – und entgeht dem Problem, dass er irgendwann trotz aller Verdienste die Leute nur noch nervt. Und am Ende vielleicht nicht geht, sondern gegangen wird.
Das Beispiel Mertesacker
Dies ist kein Plädoyer dafür, dass haupt- und ehrenamtliche Führungskräfte aller Art sich bei nächstbester Gelegenheit vom Acker machen sollen. Selbstverständlich kann es wertvoll sein, wenn Menschen nicht gehen, sondern bleiben – in Unternehmen, in Vereinen, in der Politik. Sie schaffen Vertrauen, Kontinuität, Verlässlichkeit.
Bei der Kunst des Abgangs zur richtigen Zeit geht es keineswegs darum, sich aus der Verantwortung zu stehlen – sondern gerade darum, Verantwortung zu übernehmen, für sich und für das, was man tut. Also zu fragen: Bin ich hier noch der richtige Mensch am richtigen Ort? Oder wäre es für alle Seiten sinnvoller, jetzt andere ranzulassen?
Es ist ein Riesenunterschied, ob man im richtigen Moment abtritt oder nicht. Im Profisport lässt sich das immer wieder beobachten. Da gibt es Athleten, die spüren, wann es Zeit ist zu gehen – wie die Fußballer Philipp Lahm, Per Mertesacker und Miroslav Klose, die nach dem Titelgewinn bei der Weltmeisterschaft 2014 aus der deutschen Nationalmannschaft zurückgetreten sind. Und es gibt Athleten, die ihre Karriere immer weiter dehnen, bis aller Glanz verkümmert – wie Cristiano Ronaldo, der in der portugiesischen Nationalmannschaft zuletzt nur noch Ersatzmann war und sich nach glorreichen Jahren bei Großklubs jetzt in der saudi-arabischen Hobbyliga mit Geld bewerfen lässt, mit bald 38 Jahren.
Das Leben bietet mehr
Ein Abgang ist immer ein Einschnitt, immer mit Schmerz verbunden, aber immer auch eine Chance – für die, die gehen, und auch für jene, die bleiben. Wer vorher nur gemeckert und alles falsch gefunden hat, kann jetzt selbst machen und zeigen, wie es besser geht. Und wer gegangen ist, kann sich neu erfinden, andere Prioritäten setzen und entdecken, dass das Leben mehr zu bieten hat als die langjährige Rolle, in der ihn alle kannten.
Jacinda Ardern wirkte nicht nur gerührt, als sie von ihrem Amt als Premierministerin zurücktrat, sondern auch sehr erleichtert. Sie sagte, sie freue sich jetzt auf Zeit mit ihrer Familie, auf den Schulanfang ihrer Tochter und darauf, ihren Partner endlich zu heiraten. Klingt das nicht schön?
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Andreas