Reden wir übers Wetter. Keine Sorge, wird nicht langweilig. Die Zeiten, in denen das Wetter das ödeste Smalltalk-Thema für die unliebsamsten Stehpartys war, ist vorbei. Heute, in der aufziehenden Klimakatastrophe, ist jedes Wort übers Wetter brisant. Und es lohnt ein neuer Blick auf dieses uralte Thema.
Beginnen wir im Bayerischen Wald. Wir haben da im August Urlaub gemacht. Hatten gehofft, fünf, sechs Berge erklimmen und damit nachher, zurück im Norden, schön rumprotzen zu können. Wir dachten, das wäre eine sichere Nummer – gilt doch bei uns hier oben schon ein von Kindern im Sandkasten aufgehäuftes 80-Zentimeter-Hügelchen als stolze Erhebung. Am Ende aber haben wir nur einen einzigen Tausender geschafft. Wir sind (Ehrenwort!) nicht an katastrophaler Kondition oder wackeligen Waden gescheitert. Sondern am Regen. An den meisten Urlaubstagen in Bayern hat’s von morgens bis abends geschüttet, bei 13, 14 Grad.
Hat das genervt? Ehrlich gesagt: ja. War es schlau, sich nerven zu lassen? Ehrlich gesagt: nö. Dabei war es menschlich. Schließlich haben wir uns diese Deutung jahrzehntelang antrainiert: was gutes Wetter ist und was schlechtes. Im Sommer hieß gutes Wetter: Sonne und Freibad, Grillen und Draußensitzen bis nachts um eins. Herrlich, nicht wahr? Haben wir uns da nicht alle mal kurz gefühlt wie die Spanier, die Griechen, die Italiener?
Sicher war nur die Unsicherheit
Schlechtes Wetter hieß: Regen und Kälte, Frieren und Sommerschnupfen. Blöd. Waren wir da nicht alle mal kurz neidisch auf die Südeuropäer und ihre wärmende, bräunende Sonnengarantie?
Hier bei uns im Norden war beim Wetter gar nichts sicher. Nur: die Unsicherheit. Nie konnte es sich entscheiden. Heute Sonne, morgen Regen. Heute 22 Grad, morgen 12. Heute hü, morgen hott. Na toll! Was sollte man denn nun anziehen? Wie sollte man da planen? Wie sollte man sicher sein, was wird?
Ein bisschen war der Sommer 2021 so wie früher. Nach einer vorläufigen Bilanz des Deutschen Wetterdienstes (DWD) war er der regenreichste Sommer seit zehn Jahren. Die Monate Juni bis August waren im Langzeitvergleich deutlich zu nass. Schietwetter, wie wir hier im Norden sagen. Da konnte man sich leicht betrogen fühlen, vom Wetter, diesem Bösewicht. Nach all den schweren Corona-Monaten hätte uns ein bisschen mehr sonnige Leichtigkeit ja auch wirklich gutgetan – schon vor dem spätsommerlichen September. Aber nix war’s.
Eine Frage von Leben und Tod
Was, wenn wir das ab heute gelassener nähmen? Wenn wir künftig anders aufs Wetter schauten? Der jüngste Bericht des Weltklimarates könnte helfen, den Blick zu weiten. Die Forscher haben darin betont, dass Extremwetterereignisse durch die menschengemachte Erderhitzung zunehmen werden. Heißt: Es wird künftig auch bei uns in Deutschland häufiger wochenlang brüllend heiß sein – so heiß, dass tagsüber alle nur noch Schatten suchen und nachts niemand mehr schlafen kann. Von den Alten, die im Verborgenen an der Hitze sterben, ganz zu schweigen. Und es wird häufiger Starkregen geben – so stark, dass Städte überflutet, Häuser zerstört, Existenzen vernichtet werden. Und Menschen in den Wassermassen ertrinken. Im Vergleich zu solchen Tragödien erscheint unser bayerisches Bergdesaster als vergleichsweise harmloses Problem.
Je weiter die Erderhitzung fortschreitet, desto mehr ändert sich die Rolle des Wetters. Es ist dann immer weniger Kulisse für unsere Freizeitplanung – und immer mehr ein im Zweifel existenzielles Problem, manchmal gar eine Frage von Leben und Tod.
Wenn aber das Wetter extremer, aggressiver, gefährlicher wird, sind wir dann mit lauen, mauen, harmlos-nieseligen 14 Grad im August nicht ganz gut dran? Wenn die Hitze und der Regen heftiger kommen und länger bleiben als früher, bedrohlich heftig und bedrohlich lange, ist dann der ewige Wechsel zwischen Hochs und Tiefs nicht herrlich sicher? Sind windstille Wolken dann nicht ein Privileg?
Der Zauber des Regens
Könnte es sein, dass wir uns in ein paar Jahren nach dem einst so nervigen Schietwetter zurücksehnen? Sollten wir nicht sehr viel mehr dafür tun, dass wir es auch künftig noch erleben – statt von Extremen geplagt zu werden? Und hatten wir, in unserem verregneten Bayern-Urlaub, vielleicht gar Glück? Wir sind immerhin nicht von einer Flut hinweggerissen worden wie viele Menschen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Und wir haben nicht Höllenhitze und Waldbrände durchlitten wie Zigtausende in Italien, Griechenland und der Türkei.
Und dennoch, auch wenn man all das bedenkt: Manchmal nervt das Wechselwetter trotzdem. Wenn man auf dem Rad zur Arbeit vom Schauer nassgemacht wird. Oder im Sommerurlaub alle Schuhe durchweicht sind. Oder einem die liebevoll geplante Gartenparty verhagelt wird. Was dann?
Dann helfen vielleicht, zur Versöhnung, ein paar Gedanken aus dem neuen Buch von Christian Sauer. Der Journalist und Buchautor aus Hamburg hat eine Liebeserklärung an den Regen verfasst. Er schreibt: „Entdecken Sie den Zauber des Wassers, das vom Himmel fällt.“ Und: „Regen ist ein Wabern, ein Sinken, ein Fallen, ein zufälliges Aufschlagen. Regen schwingt, glänzt, fließt, gluckst.“ Und weiter: „Regen ist nicht fassbar, gerade deshalb verändert er unseren Blick auf die Welt und uns selbst. Regen ist Chaos. Regen ist Rhythmus. Regen ist Poesie.“ Schön, oder?
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Mein nächster Text kommt ausnahmsweise schon in einer Woche. Rechtzeitig vor der Bundestagswahl. Er handelt davon, was sie mit Veränderung zu tun hat – und welche Chancen sie bietet.
Bis dahin: alles Gute!
Andreas